Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome: Methodische Mängel

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Warnke, P. C.; Kopitzki, K.; Ostertag, C. B. Die Rolle von Boswellia-Säuren in der Therapie maligner Gliome: Methodische Mängel Dtsch Arztebl 1998; 95(5): A-220 / B-174 / C-176 MEDIZIN: Diskussion Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Dieter-Karsten Böker und Dr. med. Michael Winking in Heft 18/1997 Die Arbeit untersucht den Effekt unterschiedlicher Dosen von Boswellia-Säuren auf das Ausmaß des perifokalen Ödems bei Patienten mit nicht näher spezifizierten Gliomen. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß es bei einer Dosis von dreimal 1 200 Milligramm Boswellia-Säuren pro Tag zu einer signifikanten Verminderung des perifokalen Ödemvolumens nach sieben Tagen kommt. Die Arbeit weist einige schwerwiegende methodische Mängel auf, die es geraten sein lassen, die Ergebnisse und insbesondere die Schlußfolgerung der Autoren mit größter Vorsicht zu interpretieren. Es ist faszinierend, daß trotz einer exzessiven Publizität der Boswellia-Säuren in der Laienpresse und auch der Befürwortung durch einzelne Pharmakologen bislang keine experimentellen quantitativen Daten zum Wirknachweis von Boswellia-Säuren in experimentellen Hirnödemen trotz Vorliegen exzellent charakterisierter Hirnödemmodelle existieren. Darüber hinaus ist der Wirkmechanismus auf die Formation und die Resolution des Hirnödems, insbesondere beim perifokalen tumorbedingten Ödem, vollständig unklar. Zwar belegen die Autoren, daß Boswellia-Säuren die Leukotrienen-Synthese hemmen, aber es bleibt weiterhin vollständig unklar, ob die Hemmung der Leukotrienen-Synthese zu einer Verminderung der kapillären Permeabilität als der Ursache des vasogenen Hirnödems führt oder ob es bei unverändert hoher kapillärer Permeabilität zu einer rascheren Resolution des Hirnödems kommt. Beide Möglichkeiten der Minderung des Ödemvolumens sind quantitativ mit exakten und reproduzierbaren bildgebenden Methoden experimentell und am Menschen untersuchbar (1, 2). Ungeachtet des Fehlens experimenteller physiologischer Daten werden Boswellia-Säuren am Patienten eingesetzt und mit unseres Erachtens inadäquaten Methoden in ihrer Wirksamkeit beurteilt. Die Autoren haben bei Patienten vor und nach der Applikation von Boswellia-Säuren die Computertomographien, wobei nicht klar ist, in welcher Schichtdicke die Computertomographien durchgeführt wurden und ob eine standardisierte KM-Gabe erfolgte, evaluiert. Die Methodik, die bereits vor zehn Jahren in der Evaluierung der Effekte von Kortikosteroiden verwendet wurde und hier erhebliche Mängel zeigte, wirft eine Vielzahl von kritischen Fragen auf. Zum einen ist bei longitudinalen Untersuchungen bei ein und demselben Patienten zur Beurteilung pharmakologischer Effekte unabdingbar, daß exakt dieselbe Computertomographie-Schicht in völlig identischer Schichtführung untersucht wird. Dies ist nur durch nachträgliches Formatieren von Bildern, und hier auch nur bei Dünnschnittuntersuchungen, möglich oder bei Untersuchungen, die jeweils unter exakt reproduzierbaren stereotaktischen Bedingungen durchgeführt wurden. In jedem Falle müssen die Untersuchungen in Dünnschnitttechnik durchgeführt werden, da sonst die berechneten Volumina aufgrund der erheblichen Interpolationseffekte eine hohe Fehlerbreite aufweisen. Da es sich hierbei um eine Fehlerbreite von 30 bis 40 Prozent handelt und auch die Unterschiede im Ödemvolumen in der vorliegenden Arbeit in dieser Bandbreite liegen, bei darüber hinaus exzessiv hohen Standardabweichungen, stellt sich die Frage, ob die gemessenen Effekte nicht mehr Ausdruck der Fehlerbreite der verwendeten Methodik sind und weniger auf die eigentliche Wirkung der Boswellia-Säuren zurückzuführen sind. Mit welchen statistischen Tests die berichteten Signifikanzniveaus errechnet werden, wird von den Autoren nicht angegeben. Ein weiteres methodisches Problem resultiert aus der relativ unzureichenden Möglichkeit einer definitiven Ödemabgrenzung aus dem CT, da es sich bei dem perifokalen Ödem um einen entsprechend dem interstitiellen Druckgradienten im Extrazellulärraum aufgebauten reinen Verdünnungseffekt der Dichte des normalen Hirngewebes aufgrund der Zunahme des freien Wassers handelt. Dieser Verdünnungseffekt erfolgt entlang eines Gradienten vom Tumorrand bis in das umgebende perifokale Marklager, so daß eine scharfe Grenze zwischen Ödem und beginnendem Marklager in logischer Konsequenz nur sehr schwer zu definieren ist. Da in der vorliegenden Untersuchung offensichtlich eine subjektive, durch den Untersucher bedingte Definition des Ödemrandes auf dem CT erfolgte und diese sicher mit erheblichen Fehlerbreiten behaftet ist, sind die sehr hohen Standardabweichungen der vorliegenden Meßergebnisse hinreichend erklärt. Zur planimetrischen beziehungsweise volumetrischen Bestimmung des Ödemausmaßes ist sicherlich eine Dünnschicht-Kernspintomographie in T2-Gewichtung die wesentlich adäquatere Methodik. Die Autoren schlußfolgern aus ihren Daten, daß eine eindeutige Dosis-/Wirkungsbeziehung besteht. Dies ist nicht der Fall, da nur in einer Konzentration (1 200 Milligramm dreimal pro Tag) überhaupt ein signifikanter Effekt nachweisbar war und eben gerade keine Beziehung zwischen Dosishöhe und Ausmaß der Wirkung sich beschreiben ließ. Darüber hinaus erlaubt auch die vorliegende Arbeit keinerlei Rückschlüsse auf den Mechanismus, mittels welchem Boswellia-Säuren die Ödemformation oder Resolution beeinflussen. Wir meinen daher, daß die vorliegende Arbeit bei Fehlen jedweder physiologischer experimenteller Daten zur Wirkung von Boswellia-Säuren die derzeit aggressive Propagierung der Substanz in der adjuvanten Gliomtherapie nicht rechtfertigt. Literatur 1. Groothuis DR, Vriesendorp FJ, Kupfer B et al.: Quantitative measurements of capillary transport in human brain tumors by computed tomography. Ann Neurol 1991; 30: 581-588. 2. Gröger U, Huber P, Reulen HJ: Formation and resolution of human peritumoral brain edema. Acta Neurochir 1994; 60: 373-374. Dr. med. P. C. Warnke, Dipl.-Phys. K. Kopitzki, Prof. Dr. med. C. B. Ostertag Neurochirurgische Universitätsklinik Abteilung Stereotaktische Neurochirurgie Breisacher Straße 64 79106 Freiburg